(Hohenstein-Ernstthal, September 2025) Die Ausstellung You May Dream in HOT, die am Samstag, dem 20. September, im Rahmen der Initiative Try Walking in May Shoes für die Öffentlichkeit eröffnet wird, ist reich an Geschichten – kanadische Künstlerinnen und Künstler entwickelten für die Räume in der Dresdner Straße 26 in Hohenstein-Ernstthal ihre eigenen Visionen vom Erzgebirge und seiner Umgebung. Ähnlich wie einst der hiesige Rodak Karl Friedrich May über Nordamerika schrieb, ohne je zuvor dort gewesen zu sein.
Eine der ausstellenden Künstlerinnen, aj jaeger aus Vernon in British Columbia, steuert dazu eine starke Familiengeschichte bei. Sie besucht zum ersten Mal die Geburtsstadt ihrer Mutter, die das damalige Ostdeutschland verlassen musste.
„Über Karl May wusste ich ehrlich gesagt nicht viel. Aber die Tatsache, dass er in derselben Stadt geboren wurde wie meine Mutter – an einem Ort, an dem ich zuvor nie war –, erschien mir als großartige Gelegenheit, nach Hohenstein-Ernstthal und nach Chemnitz zu fahren und den Schritten meiner Mutter nachzugehen,“ sagt aj in ihrem Atelier, vor der großen Leinwand, die sie für den neuen Ausstellungsraum des Vereins Silberbüchse e.V. vorbereitet.
„Die Kunstszene in Vernon und im gesamten Okanagan-Tal ist überraschend vielfältig und hochwertig – davon können sich die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung selbst überzeugen. Dass wir mitten in British Columbia eine Künstlerin mit Wurzeln in genau jener Stadt gefunden haben, für die wir die Schau vorbereiteten, mag wie ein magischer Zufall wirken. Für mich ist es vor allem ein Beleg für die Zusammenarbeit und Vernetztheit der dortigen Szene – ohne sie hätten wir aj jaeger nie gefunden,“ erklärt Tereza Koranda Dvořáková, Kuratorin der Ausstellung vom Chomutover Verein Ženský spolek und dem Kreativduo Redpond.cz.

aj jaeger and Tereza Koranda Dvořáková, Vernon, Headbones Gallery
aj jaeger wird bereits zwei Tage vor der Vernissage in Hohenstein-Ernstthal eintreffen. Auf ihrer Spurensuche in der Familiengeschichte begleiten sie Mitglieder von Silberbüchse, allen voran der Historiker Wolfgang Hallmann, der für aj zahlreiche Informationen und Dokumente vorbereitet hat, die die Verbindung der Familie zur lokalen Textiltradition belegen.
Das entstehende Werk für You May Dream in HOT „hat mit Migration, Erinnerung und Mythos zu tun. Es geht darum, was wir zurücklassen, was wir wiederentdecken oder neu erschaffen können und was wir davon im Herzen mittragen. Deshalb arbeite ich mit dem Motiv des großen Herzens,“ beschreibt die Künstlerin. Diese Themen verbinden sie auch mit ihrer Mutter – 1988 zog aj mit ihrem Mann und ihren Söhnen dauerhaft nach British Columbia, wo sie begann, ganz neue Geschichten zu leben und zu gestalten.
Und wie sich nach Telefonaten mit ihrem Bruder, der in Frankfurt lebt, zeigte, ist die direkte familiäre Verbindung zu Karl May tatsächlich recht ausgeprägt.
„Mein Bruder hat zu Hause 75 Bücher von Karl May – er wird sie nach Hohenstein-Ernstthal mitbringen und dem Verein Silberbüchse schenken – und vielleicht werden sie sogar schon zuvor Teil meines Auftritts bei der Vernissage,“ schließt aj jaeger, die zusammen mit den kanadischen Künstlerinnen Destanne Norris und Krystyna Laycraft vom örtlichen Bürgermeister Lars Kluge zum festlichen Mittagsessen am Samstag eingeladen wurde.
Mirek Koranda, Redpond.cz
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